Verschollen in Ras Tabor

Cover von Marc Bornhöft

Neulich nach einem harten Tag mit der Familie. Meine Frau drückt mir „deinen Aventurischen Boten“ *innerliches Augenrollen* in die Hand. Ich trage das eingeschweißte Papier in den Keller und eine gefühlte Ewigkeit später komme ich dazu die Folie aufzureißen um die Inhalte zu trennen und fürs Archiv vorzubereiten. Nachdem mich das letzte Heldenwerk mit durchaus interessanten Ansichten übern den Bund des Wahren Glaubens zurückgelassen hatte, streift mein Blick die jüngste Beilage mit dem Titel Verschollen in Ras Tabor. Der dreiäugige Tiger auf dem Cover irritiert mich kurz, was ist eigentlich aus dem phantastischen Realismus geworden. Die Kurze verlangt bespaßt zu werden und ich widme mich eine Weile dem Bemalen viel zu kleiner Dinosaurier.

Ad Astra oder Wo ist mein Raumschiff

Einen Dino und eine viel zu winzig Crew später drehe ich das Heldenwerk um. Wie so oft fällt mein Blick auf die Ortsangabe. Die Wüste Khôm ist mit Ulisses Grün umrandet, vielleicht ein neues Abenteuer zu den neuen Entwicklungen im Reich der Novadis? Das komische Metallding sieht nicht aus wie ein arachnides Fantasymonster aber ich brauch eh ne neue Brille. Dann schweift mein Blick über den Klappentext. Unendliche Weiten, Sternenwagen, Katastrophe kataklystischen Ausmaßes? In der Wüste? Die Verdünnungsmittel müssen mir ins Hirn gedrungen sein. Ich lese im Infokasten nach wo das Abenteuer spielt. Außerirdische? Tor der Welten? Myranor? Alles dreht sich, ich überprüfe die Zeit. 2024 AD 1045 BF.

Mit angehaltenem Atem blättere ich von hinten nach vorne durch das Heldenwerk. Carolan mit Blasterwaffe, das letzte Kapitel trägt den Titel Laub und Sterne. Bunte Riesenpilze, Außerirdische und der Plan eines Raumschiffs. Ach ja und irgendwo dazwischen ein Tiger mit drei Augen. Meine zwanzig Jahre jüngere Kollegin würde jetzt wohl sagen: Ich feier das. Wie rollende Mühlsteine sickert die Erkenntnis in mein Hirn, dass ich hier endlich mal ein 40-Jahre-Jubiläumsprodukt in den Händen halte, das tatsächlich Spaß machen wird.

Auf geheimen Pfaden

Der Plot dieses Abenteuers ist eigentlich kaum der Rede Wert. Man mischt Borbarads Fluch mit dem Tor der Welten einmal umrühren etwas SciFi-Gewürz dazu und fertig ist der Eintopf. Der Text strotzt nur so von Wortspielen auf Abenteuer und Texte der DSA Geschichte. Auf dem Weg dunkler Pfade muss man Tödliche Weinranken überwinden, um das Tor der Welten zu erreichen. Nur das Raumschiff unter Kapitän Iannlukk ist eine Persiflage auf ein anderes großes Franchise. Einzig der Umstand, dass jede Kreatur mit den typischen, lachhaft überladenen Wertekästen beschrieben wird, erinnert daran, dass man es hier mit einem echten DSA5 Produkt zu tun hat.

Wenn die Helden dann in Laub und Sterne zum Sternenwagen zurückkehren, haben Sie noch die Wahl zwischen Kooperation oder actiongeladener Gewalt. Dann jedoch ist es auch schon vorbei und man kehrt zur Sternenballade nach Aventurien zurück. Je nach Finale kracht danach vielleicht noch ein brennender Stern auf die Region der Helden, aber ein bisschen Spaß muss schließlich sein. Besonders schön ist natürlich der Schlussatz, dass niemand die Erzählung der Helden von ihren Abenteuern in einer anderen Welt ernst nehmen wird.

Fazit

Dominic Hladek und Rafael Knop hatten sicher eine Menge Spaß beim Schreiben dieses kleinen Schmuckstücks. Natürlich muss man Verschollen in Ras Tabor mit mehr als einem zwinkernden Auge sehen. Obwohl ich kein DSA-Spieler der ersten Stunde bin, war ich ob dieser selbstironischen Hommage an die uralten Schinken vom Fleck weg begeistert. Alle, die sich gerne mal einen Ausflug vom bierernsten Fantasy-Spiel gönnen und mit reichlich Humor am Spieltisch in das 40-Jahre-DSA Jubiläum eintauchen wollen, dürften in Ras Tabor voll auf ihre Kosten kommen.