Gastrezension von Ackerknecht
Maraskan … muss es ausgerechnet Maraskan sein? So sehr ich mich auch darüber freue, dass das aktuelle Heldenwerk ein Horror-Dungeon-Abenteuer ist, warum muss es denn ausgerechnet auf Maraskan spielen? Da kann ich mich mit einer Rezension nur in die Nesseln setzen, egal was ich schreibe.
Denn merket auf, die Probleme mit Maraskan sind zweierlei, wie kann es anders auch sein:
- Nur zwei (!) Menschen haben Maraskan wirklich verstanden: Karl-Heinz Witzko und ich.
- Die Welt ist voll von Irrgläubigen, die dasselbe von sich behaupten.
Ernsthaft, so erfreulich ein Szenario in einer exotischen aventurischen Region ist, Maraskan ist einfach eines der am stärksten polarisierenden aventurischen Settings. Die Besonderheiten fangen schon mit dem Titel des Abenteuers an: „Des Wandelbaren Schicksal“. Um welchen Wandelbaren geht es? Hauptschauplatz ist die Akademie von Tuzak, ist also vielleicht „Der Wandelbaren Schicksal“ gemeint? Oder geht es um die Gesamtheit des Wandelbaren allgemein? Oh verflixte grammatikalische Zweideutigkeit!
Aber worum geht es nun in diesem Abenteuer? Laut Klappentext handelt es sich, wie schon gesagt, um einen Horror-Dungeon für kompetente Helden. Die Komplexität ist mittel, gefordert werden kompetente Spielerhelden mit gut entwickelten körperlichen und kämpferischen Fertigkeiten. Der Einfluss auf die aventurische Geschichte ist überschaubar. Autor ist Aşkın-Hayat Doğan, der besser unter seinem Nick Asquartipapetel bekannt ist. Mit der Handlung geht es nach der Spoilerschranke weiter …
Das Abenteuer
Jandon Bluugh, die letzte reguläre Spektabilität der Tuzaker Magierakademie, konnte ein mächtiges Zauberbuch, das H’Pyrrx’zltk‘h, entschlüsseln. Als während der Borbaradkrise die Aufständischen an der Akademie immer stärker wurden, hat Bluugh das Buch im Keller unter der Schule versteckt. Das Versteck und Hinweise zur Übersetzung verschlüsselte er in einer selbstgeschriebenen Sammlung der auf Maraskan beliebten „Honinger Geschichten“, die er seiner Vertrauten Hesindajida übergab. Diese konnte Bluughs Hinweise erst jetzt, Jahrzehnte nach dem Fall der Akademie, entschlüsseln. Aus dem Umfeld der neuen maraskanischen Akademie zu Sinoda erhalten die Helden den Auftrag, das Buch aus den Ruinen der Akademie zu bergen.
Dummerweise hat der Untergrund unter der Zauberschule mittlerweile neue Bewohner, die den Helden das Leben schwer machen dürften. Da wären:
- Die Spinnenhexe Qunbusalap mit ihrer Maraske Yarfajid, zurzeit die Herrscherin über den Dungeon. Sie führt einen Kult aus Menschen und Echsenmenschen („Tsinnkartsisten“) an und will ein Mishkara-Heiligtum errichten. Dazu nutzt sie neben Großspinnen auch ein Heer von Chimären, vor allem den wunderlichen „Phraischweinen“, gefährlichen Schaf-Stachelschwein-Mischwesen.
- Der Asfaloth-Paktierer Qvurjok, der von der Hexe mit einem Zauberbann versklavt wurde, sich selbst aber für das mächtigste Wesen in der Anlage hält.
- Der Geist des Sohnes von Wilman Koostjes, der letzten, von den Borbaradianern gemeuchelten Spektabilität.
- Der ehemalige Akademiemagier Djurmoijan, der als Mensch-Harnischträger-Chimäre ein bizarr-trauriges Dasein fristet.
Dazu kommt, dass die Tuzaker Akademie eine wechselvolle Geschichte hat, die in diesem Abenteuer eine große Rolle spielt. Diese Geschichte wird zu Beginn des Heldenwerks in einem stimmungsvollen Ingame-Text zusammengefasst. Highlights sind (neben der Nutzung als Zauberschule und deren Untergang in der Borbaradkrise):
- Die Priesterkaiserzeit, in der die Schule erst ein Jagdschloss, dann ein Gefängnis war;
- Ein alter Tempel, der zu einem verfluchten Theater für die blutrünstigen „Honinger Geschichten“ nach Anislafjida von Yerschoggyn umgewidmet wurde, und
- Die Kasernierung von Elitesoldaten während der Haffax’schen Okkupation der Insel.
Bei aller maraskantypischen Skurrilität des Schauplatzes ist der eigentlich Plot sehr simpel: Die Helden werden angeworben, von ihren Auftraggebern ausgerüstet und durch einen jüngst entdeckten Gang in die Anlage eingeschleust. Danach haben die Helden viel Freiheit in der Auseinandersetzung mit dem „Ökosystem“ des Dungeons. Festgeschrieben ist nur das Finale und das große Ziel: Das Zauberbuch aus der Theater-/Tempelanlage nach einer Endschlacht im Stil einer „Honinger Geschichte“ zu bergen und zu ihren Auftraggebern zurückzubringen.
Die Kritik
Grundsätzlich ist der Dungeon bei aller Bizarrheit stimmig und sollte das Ziel eines Heldenwerks (einen Abend Rollenspielspaß) gut erfüllen. Auch ein kurzes Gegenlesen in „Stätten okkulter Geheimnisse“ zeigt keinen Verstoß gegen bestehende Setzungen an (auch wenn die mysteriösen unterirdischen Anlagen hier noch keine Erwähnung gefunden haben). Trotzdem gibt es einen großen und mehrere kleinere Kritikpunkte, die sich leider in der Bewertung negativ durchschlagen. Fangen wir mit einem Grundsatzproblem an, und dieses lautet: Maraskan. Das Abenteuer nimmt diverse Erzählstränge des Maraskan-Mikrokosmos auf, und als Nicht-Experte bin ich schlicht überfordert. Ich weiß nicht, wie das Abenteuer einzuordnen ist. Das skurrile Karl-Heinz-Witzko-Maraskan der Frühzeit? Das Grim’n’Gritty-Horror-Maraskan der „Borbarads Erben“-Ära? Oder die Melange des genannten, die sich zu „Schattenlande“-Zeiten entwickelt hat?
Ein Beispiel dazu: An einer Stelle werden Lämmer der „Phraischweine“ folgendermaßen beschrieben: „Die Lämmer können ihre Stacheln noch nicht vollständig kontrollieren. Manchmal verschießen die Jungtiere ihre Stacheln aus Versehen, wenn sie niesen müssen.“ Gott. Wie. Niedlich. Aber ist das ein „Horror“-Szenario? Ist das nicht eher das skurrile Witzko-Maraskan? Glücklich ist der Meister, dessen Spieler zum Stichwort Maraskan nur „Ist das nicht so’ne Insel? Irgendwo im Osten? War da nicht was mit Echsenmenschen?“ sagen. Meine Erfahrung ist aber, dass viele Spieler eine klare Meinung zu dieser Insel haben. Hier muss jeder als Meister abwägen, wie groß das Risiko ist, dass die Erwartungen der Spieler enttäuscht werden. Schwierig.
Eine kleine Geschichte, was bei mir am Spieltisch passieren dürfte: Selbstverständlich nutzt die Hauptantagonistenhexe einen Hartholzharnisch als Fluggerät … wie ich leider lernen musste, entspricht das dem Kanon, auch wenn ich es unfassbar albern finde. Mir würde wahrscheinlich, wenn ich meiner Gruppe damit käme, mit einem schnellen, kräftigen Zug am hinteren Ende meiner Unterbuxen demonstriert werden, wie angenehm das Fluggefühl in einer solchen Rüstung sein dürfte. Grundsätzlich ist eine Lektüre der Maraskan-Reiseführer auf Asboran.de zur besseren Einordnung (und zur Erklärung der „Honinger Geschichten“) dringend empfehlenswert.
Dann gibt es noch ein paar handwerkliche Ungereimtheiten, von denen ich vier exemplarisch rausgreife:
- Die Kultisten von Tsinnkart tragen als Rüstung maraskanische Hartholzharnische. Irgendwo hatte ich mal aufgeschnappt, dass der Bau dieser Harnische eine fast verlorene Technik ist. Ganz so extrem ist es wohl doch nicht, aber der Hartholzharnisch ist das maraskanische Gegenstück zur Plattenpanzerung und damit nicht die Rüstung von Schwertfutter-Kultisten.
- Phraischweine zum Ersten: Die Tiere werden als lichtscheu beschrieben. Trotzdem sollen sie tagsüber die Helden vom Eindringen auf einem anderen Weg als über den Bewässerungstunnel abhalten (aber dazu gleich mehr).
- Phraischweine zum Zweiten: An einer Stelle kann es zu einer Kampfbegegnung mit einer großen Zahl von Lämmern kommen. Leider gibt es nur Werte für ausgewachsene Chimären, die in dieser Zahl auch eine kompetente Heldengruppe überfordern dürften.
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Phraischweine zum Dritten: Jetzt muss ich mal ein Wort zu den Illustrationen verlieren. Der Band hat vier Bilder: Ein sinnfreies Landschaftsbild, ein Bild von einem Kultisten, ein Porträt von Qunbusalap und die obligatorische Dungeonkarte. Die Phraischweine als für das Abenteuer extra erschaffene Chimäre hätten dringend eine Abbildung verdient.
Durch die lange Historie des Gebäudes, die Vielzahl der Bewohner und den begrenzten Platz im Heldenwerk ist das Abenteuer teilweise arg konfus. Auch hierzu ein Beispiel: Eines der Hauptkapitel ist überschrieben mit „Emers Spielwiese“. Ich musste viel blättern, bis ich besagte Emer gefunden habe. Es handelt sich um die Borbaradianerin, welche die Akademie zuletzt geleitet hat. Sie spielt im Abenteuer selbst keine Rolle, sondern wird nur kurz im oben erwähnten, einleitenden Stimmungstext erwähnt. Insgesamt sind die Beteiligten nur knapp beschrieben (was dem Spielleiter die Vorbereitung und das Ausspielen nicht einfach macht). Dagegen sind die Handreichungen zum rein „technischen“ Bespielen des Dungeons (Raumbeschreibungen, Gegenerverhalten, usw.) nachvollziehbar dargestellt.
Die Anforderungen an die Helden laut Klappentext scheinen mir sehr vorsichtig formuliert, der Dungeon dürfte auch für eine kampfstarke Gruppe eine Herausforderung werden. Wie komplex Dungeoncrawl und Endkampf letztendlich werden, hängt natürlich davon ab, wie sich die Helden verhalten (und der konfuse Aufbau des Abenteuers erschwert so eine Abschätzung zusätzlich). Eines kann ich aber festhalten: Der Vorbereitungsaufwand dürfte deutlich größer als bei vergleichbaren Heldenwerken (Kibakadabra oder der Einbruch in den Paligan-Akten) sein. Und das gefällt mir gar nicht, da ein geringer Vorbereitungsaufwand meine persönliche Haupt-Anforderung an ein Heldenwerk ist.
Zuletzt ist noch auffällig, dass sich das Abenteuer an mancher Stelle arg gescriptet anfühlt. Wenn die Helden nicht über den vorgeschlagenen Tunnel in die Anlage eindringen wollen, sollen sie mit einem massiven Angriff der Kultisten zurückgeschlagen werden. Sicher ist die Verteidigung hier am stärksten, aber die Lösung „Wenn die Helden sich oberirdisch anschleichen, erteilen Sie ihnen eine Lektion und lassen Sie alles raus, was die Kultisten haben“ ist mir zu billig. Auch im Dungeon werden die Helden konsequent nach unten gelotst und davon abgehalten, die oberirdischen Teile der Anlage zu betreten. Warum das so ist, wird auf Seite 15 des Heldenwerks erklärt, der ich eine eigene Zwischenüberschrift widme.
Seite 15
Auf der vorletzten Seite des Bandes findet sich neben einer Karte des Dungeons (die mir persönlich mal wieder für eine Verwendung am Spieltisch zu klein ist) der größte Kritikpunkt des Abenteuers: Eine Aufzählung der oberirdischen Räume, mit dem Hinweis an den Meister, dass er sich diese bitte selber ausdenken soll. Aha. Da war das Heldenwerk also mal wieder zu kurz. Daher also das zwangsweise Betreten der Anlage über den Keller. Das ist alles sehr unschön. Hier fehlen einfach zwei Seiten Platz, denn mit halbwegs ausgestalteten Obergeschossen könnte man das Szenario noch freier spielen. Jetzt ist die Ausgestaltung von knapp zehn Räumen (die schon stichpunktartig geschildert werden) nicht sooo schwer, aber an der Idee des Heldenwerks geht es leider vorbei. Ich habe länger selber im Print-Bereich gearbeitet und weiß, dass man eine Veröffentlichung nicht einfach um vier Seiten (das wäre ein Druckbogen) verlängern kann, und für zwanzig Seiten reicht der Stoff auch nicht. Aber Zusatz-Download-Material wäre hier echt angemessen. So ist es einfach nur ärgerlich. Wie gesagt, nicht unbedingt wegen der fehlenden Raumbeschreibungen, sondern mehr wegen der Einschränkung der Spielerfreiheiten, um dieses Fehlen zu kompensieren. Was macht das also in der Bewertung aus?
Ab jetzt wieder spoilerfrei:
Da es sich hier um ein Maraskan-Abenteuer handelt, kann ich es ja nur mit zwei, vier oder acht Einhörnern bewerten. Das fällt einfach: Vier. Okay, schlechte Zahlenwitze beiseite: Des Wandelbaren Schicksal ist ein solider Dungeon Crawl mit ein paar Mängeln. Die Grundidee und ich nenne es mal die „Grundausstattung“ sind gut. Der Spielleiter muss sich aber erst einmal in das Abenteuer reinfuchsen, da es ziemlich konfus geschrieben ist, und dann wartet noch einiges an Arbeit auf ihn, um das Szenario wirklich rund zu machen. Daher halte ich vier Einhörner (also knapp unter der 50%-Marke) auch ohne maraskanische Zahlenmystik für eine gerechte Bewertung. Mit etwas Arbeit (und einem guten Gespür, wie die eigene Gruppe mit dem heißen Eisen Maraskan umgeht) kann es aber ein gutes Abenteuer werden.
Na, es gibt schon ein paar mehr Maraskankenner als nur zwei. Michael Masberg sei erwähnt, Magnus Epping oder der unaussprechliche Mike (Krzywik-Groß), sowie viele derjenigen, die heutzutage im Anschluss an meine Lesungen mit Stapeln zerfledderter Abenteuer und Romane zu mir kommen, um sie signieren zu lassen oder mir nie veröffentliche Geheimnisse zu entlocken – ungeachtet dessen, dass der Sinn der Veranstaltung gewesen war, ihnen meinen aktuellen Roman „Blut der Götter“ schmackhaft zu machen.
So geschehen zuletzt auf dem Nordcon in Hamburg, wo ein weiterer Maraskanfreund mit schwer aussprechbarem Namen ganz vorne im Publikum saß – „Nenn mich einfach Ask. Alle machen das.“
Die edlen Phrai-Schafe existieren in Aventurien so lange, wie es Maraskan gibt. Möglicherweise sind sie sogar älter. Stachelschweine, die giftige Stacheln schleudern, habe ich nach Aventurien gebracht. Chimären aus Schafen und Stachelschweinen sind zwar gemein, stehen aber in der Tradition meiner Tuzakhund/Marasken-Chimären, die auch nicht sehr nett sind.
Da küss doch wer die Maraskan-Taranteln! Mir macht das Angst, wenn ein Produkt NULL Fan-Rückmeldung hat. Denn selbst wenn das Internet, als Medium, völlig veraltet wäre, da müssten die Loser & Taugenixe noch zu Hunderten und Tausenden auftauchen.
Ich bin nur Hobby-Autor und ich soll Leuten trauen, die es beruflich machen, aber keine zehn Leser, Kunden oder Fans haben, die auch nur eine SMS-Länge Rückmeldung texten oder per Video-Botschaft…?
Spielleiter: „Ein wahnsinniger Hacker hat das Internet gekappt und alle in einer Schattenkopie gefangen gesetzt. Doch der Tyrann ahnte nicht, dass eine Allianz der Tapferen, Chaos-Computerklub & so, geführt von äh… König Ulisses DSA auf den rechtmäßigen Erfolgskurs zurückbringen würde. Überlegt Euch nun gut, ob Ihr Euch freiwillig meldet, denn es wird ein langer und harter Konflikt, der zum Abenteuer Eures Lebens werden könnte.“