Der Dunkle Mhanadi

Gastrezension von Ackerknecht

Das neueste Heldenwerk liest sich laut Klappentext schon einmal wie eine runde Sache. Wildnis- und Dungeon-Abenteuer im tulamidischen, das könnte gut werden. Kleiner Spoiler zum Ende dieser Rezension: Es wird gut. Der dunkle Mhanadi ist ein solides Kurzszenario, das allerdings eine Sache macht, die ich so im Heldenwerk noch nicht gesehen habe, und die mich zum Nachdenken bringt … aber der Reihe nach.

Das Abenteuer „Der Dunkle Mhanadi“ hat seinen Auftakt in Khunchom, von wo es in das Delta des Mhanadis geht. Gesucht werden kampfstarke, köperbetonte Helden (je drei Punkte in den Anforderungen), die gut in der Wildnis zurechtkommen (Anforderung von zwei Punkten). Die lebendige Geschichte bleibt vom Szenario unberührt. Autor des Szenarios ist Bernd Ochs. Die Komplexität soll für Meister wie für Spieler mittelschwer sein. Als letzte Anforderung werden meisterliche Helden gesucht – das habe ich bisher bei noch keinem Heldenwerk gesehen. Und diese Anforderung stellt mich als Rezensent vor eine ganz neue Herausforderung. Bevor ich darauf weiter eingehe, gehe ich direkt hinter der Spoilerschranke erst einmal auf die Handlung des dunklen Mhanadi ein.

Das Einhorn warnt: Ende der spoilerfreien Zone!
Nandus Balken Schmal Spoiler

In Khunchom werden die Helden von der verzweifelten Ehefrau eines Deltagängers (also einem Schatzsucher im Mhanadi-Delta) angesprochen. Ihr Ehemann Mahmud ist verschollen, und sie bittet die Helden um Hilfe. Ehrensachse, dass sich die Helden auf die Suche machen. Was die Frau nicht weiß: Mahmut hat in den Deltasümpfen ein altes Artefakt namens „Bylmareshs Nadel“ gefunden. Diese führt ihn auf den Weg zu einer alten Zikkurat, die er mit seinem Cousin Erkaban erkunden (und plündern) wollte. In den Sümpfen fiel die Zwei-Mann-Expedition aber einer Piratenbande in die Hände. Die Piraten wiederum schickten ihrerseits eine Plündergruppe mit Mahmud als „Skorpionexperten wider Willen“ zur Zikkurat. Diese Gruppe fiel aber dann der uralten Chimäre Ashulab in die Hände. Ashulab war einst Hohepriester der längst vergessenen Skorpiongöttin Bylmaresh. Vor Jahrhunderten hat Ashulab die Zikkurat in einen Tempel seiner Göttin umgewidmet und als Krönung sich selbst zu Ehren von Bylmaresh in eine monströse Mensch-Skorpion-Chimäre verwandelt (und in seinem Wahnsinn den gesamten Rest des Kultes ausgelöscht). Seit Jahrhunderten „lebt“ Ashulab nun in der Zikkurat, von der Restwelt vergessen. Nun hat Ashulab das Vorkommando der Piraten getötet. Er hält aber Mahmut noch für spätere Experimente gefangen und freut sich über die Helden als weitere „Opfer“.

Die Handlung des Heldenwerks lässt sich in drei Abschnitte einteilen: Die Anwerbung der Helden, den Marsch durch den Deltasumpf und die Erkundung des Zikkurats. Fangen wir gleich mit der Anwerbung an. Auch wenn ich die schnörkellosen Heldenwerk-Auftakte sonst lobe, hier ist das Ganze nicht gut gelungen. Bzw., ich komme das erste Mal mit der Anforderung „meisterliche Kompetenz“ ins Hadern: Rennen „meisterliche“ Helden aufgrund flehender Ehefrauen in den Sumpf? Ich würde anders einsteigen, und zwar mit einem flehenden Khadil Okharim, dem ein Magoarchäologe im Delta verschütt gegangen ist. Das ist der gleiche Einstieg, nur irgendwie passender für meisterliche Helden.

Bild der Hafenstadt Khunchom

Khunchom zeigt sich von seiner besten Seite (Bild von Jennifer Lange)

Die Verfolgung im Sumpf ist eigentlich ganz gut gemacht, aber auch hier hadere ich mit der „meisterlichen Kompetenz“: Es sind mehrere Begegnungen im Sumpf geschildert, die gut gelungen sind, dafür sind die so genannten „Gefahren des Deltas“ eher enttäuschend. Umwege aufgrund verlorenerer Orientierungsproben und Moskitoschwärme sind nicht wirklich erschütternd. Gerade die Moskitoschwärme, die einen Schadenspunkt pro Tag verursachen, lassen mich kopfschüttelnd zurück – 1 SP/Tag, da fasse ich bei meisterlichen Helden nicht den Radiergummi für an.

Überhaupt hat mir der Klappentext mehr Epik versprochen: Hier war die Rede „verschlungenen Rinnsalen, betörenden Lotosseen und tückischen Mangroven-Sümpfen“. Ah ein Moment, hier ist ein Vorlesetext, auszugsweise zitiert: „… In einem schmalen Schilfgürtel wächst Schwarzer Lotos, dessen giftiger Blütenstaub gaukelnd im Zwielicht zwischen den Mangroven schwebt.“ Vorsicht Falle! Dieser Vorlesetext dient nur als „Fluff“ und wird nicht im Abenteuertext aufgegriffen. Hier sollte man als Meister aber die Regeln für die Lotosernte griffbereit haben: Die meisterlichen, wildniserfahrenen Helden, die ich kenne, lassen einen 100-Dukaten-Scheck nicht einfach so am Wegesrand liegen. Man merkt, die richtige „düsteres Delta“-Stimmung will bei mir nicht aufkommen, da wäre mehr drin gewesen. Aber plottechnisch ist das Abenteuer an dieser Stelle gut gemacht, auch die Ausgestaltung des Piratenlagers, der dort handelnden Personen und die Anknüpfung an das nächste Kapitel sind gut gelungen. Und in diesem Kapitel kriege ich auch endlich die versprochene Dosis Epik ab …

Die Zikkurat der Skorpiongöttin wird von Seite 9 bis Seite 14 beschrieben und nimmt damit die gesamte zweite Hälfte des Heftes ein, was durchaus angemessen ist. Der von Ashulab zu einem mit Todesfallen ausgestatteten „Prüfungstempel“ umgebaute Dungeon weiß fast durchgängig zu überzeugen. Die Bewertung des Endkampfes (in dem u.a. der Skorpionspieß, eine mächtige, magische Waffe eine Rolle spielen kann) fällt mir leider sehr schwer, da ich einfach nicht regelfest genug bin. Dazu kommt, dass die Kompetenz „meisterlicher“ Helden stark von deren individueller Geschichte abhängt: Stehen der Gruppe magische Artefakte zur Verfügung? Wie sieht es mit seltenen Liturgien und Zaubern aus? Spiele ich mit einer gamistischen oder einer erzählerischen Gruppe? Es ist schwierig, das abzuschätzen, aber Ashulabs Werte sehen auf dem Papier so hoch aus, dass eine 08/15-Abenteurergruppe Probleme bekommen dürfte.

Das Abenteuer leidet an dieser Stelle an einer Variante des klassischen Heldenwerk-Problems, dem begrenzten Platz. Allerdings ist es dieses Mal nicht der Plot, sondern der Hintergrund, der zu kurz kommt. Bylmaresh ist eine obskure Gottheit aus den „Dunklen Zeiten“. Ich bin beim Schreiben der Rezension davon ausgegangen, dass die Gottheit extra für dieses Abenteuer erfunden wurde und musste von der Nandurion-Redaktion darauf hingewiesen werden, dass Bylmaresh Bestandteil des DSA-Kanons ist. Das Szenario führt zu Bylmareshs Kult eine neue Sonderfertigkeit, ein neues Ritual und ein mächtiges Artefakt ein. Für so etwas ist das Heldenwerk definitiv zu kurz, und der Meister kann da schnell mal ins Stottern kommen, wenn er Bylmaresh vorher noch nicht kannte. Aber grundsätzlich ist das toll! DSA braucht so etwas! Es ist so wichtig, die „Barbiespieler“, die 18 Regalmeter Quellenbände auswendig gelernt haben, hin und wieder mal aus dem Konzept zu bringen, da ist etwas „Mut“ im Heldenwerk nicht fehl am Platze.

So, und jetzt ein kleines Detail zum Abschluss. Einer von Bylmareshs Priestern hat, kurz vor seiner Flucht, hastig eine Botschaft in die Wand seiner Zelle geritzt – insgesamt 90 Wörter auf ca. 11 Zeilen. Wieso muss ich hier an die Känguru-Chroniken denken?

Oh Sch… eibenkleister. Endgegner Ashulab ist gar nicht gut drauf (Bild von Christina Krauss)

Welches Fazit ziehe ich hier? Alles in allem ist der dunkle Mhanadi ein sehr solider Dungeoncrawl. Probleme sehe ich aber in der Motivation von Helden und Spielern. Das Heldenmotivationsproblem ist, dass sich sehr erfahrene Helden auf das Abenteuer erst einmal einlassen müssen, um in den Genuss des sehr starken Dungeons zu kommen. Dazu habe ich oben ja schon einen Tipp gegeben. Kniffliger ist aus meiner Warte die Spielermotivation … Ich muss gestehen, dass ich sehr lange nicht mehr mit „hochstufigen“ Helden gespielt habe. Das olle RL führt dazu, dass ich eigentlich nur noch OneShots (wie eben die Heldenwerk-Reihe) spiele, und diese finden eher im unteren und mittleren Erfahrungsbereich statt. Die „Endgamecontent“-Spieler, die ich kenne, stecken alle bis zum Hals in High-End-Kampagnen fest. Ihr kennt das: Man trifft sich RL-bedingt nur noch zwei Mal im Jahr, und dann will man diese verflixte G7-Saga aber auch mal irgendwann beenden … In wie weit da ein metaplotunabhängiger Zwischendurchdungeon reinpasst ist fraglich. Das Abenteuer lässt sich zwar leicht in bestehende Plots einbauen (Bastrabuns Bann oder die Drachenchronik bieten sich an), aber will man endlos lange Kampagnen noch mehr verlängern? Wenn man aber einen engen Spielrhythmus hat, und die eigenen hochstufigen Helden sich langweilen, dann greift sofort zu! Es lohnt sich.

Ausdrücklich möchte ich auch die grafische Gestaltung loben. Das Porträt von Ashulab ist großartig-gruselig, und die Stimmungsbilder von Khunchom und den Mhanadisümpfen sind klasse. Es gibt nicht nur einen Plan des Dungeons, sondern auch einen Übersichtsplan des Piratenlagers im Mittelteil. Beide sind sehr schön, nur leider ist der Dungeon-Plan mal wieder zu klein … Bin ich eigentlich der einzige, der damit ein Problem hat? Das ist eine ernstgemeinte Frage für die Kommentare, wie verwendet Ihr Dungeonkarten? Welche Größe braucht Ihr? Ist so eine 9×19 cm große Karte über alle drei Stockwerke für Euch ausreichend?

Nandus Balken SchmalDas Einhorn verkündet: Ende des Spoiler-Bereichs

Der dunkle Mhanadi ist ein sehr solides Dungeon-Abenteuer in Mhanadistan für wirklich erfahrene Helden. Ein Einhorn findet die Einleitung zu simpel und die Sümpfe zu flach, ein zweites findet immer irgendwas an Details zu nörgeln. Beide Einhörner sollten sich mit ein klein bisschen Anpassungsarbeit an den Tisch zurückholen lassen. So bleiben für das ausgelieferte Abenteuer solide sieben Hornträger mit Potenzial auf mehr.

Nandurion dankt Ackerknecht für die Gastrezension und Ulisses-Spiele GmbH für das Rezensionsexemplar!

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8 Antworten zu Der Dunkle Mhanadi

  1. André sagt:

    Danke für die Rezi, werde das Abenteuer dementsprechend anpassen.
    Zum Thema “zu kleine Dungeonkarten“ kann ich nur zustimmen. Ich bastle selber gerade an einer Kampagne, die so einige Dungeon beinhalten soll, da steckt immer viel Arbeit drin, diesen auch plotgerecht stimmig zu gestalten. Wenn man sich aber dir Mühe macht, sollten es dir SLs zu schätzen wissen. Ich werde wohl pro Dungeon min. 3 DIN-A4 Seiten verbraten.

  2. Bernd Ochs sagt:

    Hallo Ackerknecht,
    danke für deine ausführliche Rezi!
    Zum Thema Einstieg war die Beauftragung durch Khadil oder die Drachenei – Akademie tatsächlich Teil der konzeptionellen Überlegungen. Die Entscheidung pro Mahmud/Nedime ist aus 2 Gründen gefallen: 1. Eine Szene mit Khadil/Drachenei zum Einstieg hätte mehr Platz erfordert (der nicht vorhanden war). 2. Ich wollte den Einstieg emotionaler und damit persönlicher gestalten. Ich habe den Mhandi dreimal mit unterschiedlichen Heldengruppen gespielt und es hatte sich gezeigt, dass stets mehr als genug Heldenmut vorhanden war, um der Sache nachzugehen (bei der es ja nicht zuletzt auch noch einen Schatz zu erbeuten gibt ;-))
    Generell ist das Format als Autor nicht leicht zu handeln: Auf 15 Seiten inkl. Illus und Plänen soll ein stimmiger, ausreichend ausgeleuchteter Plot präsentiert werden. Da muss man Akzente setzen, das war vorliegend natürlich der Dungeon. Ich hoffe trotzdem, dass die Überleitung durchs Mhanadi Delta Spaß macht. Hier kann der Meister nach Geschmack der Spielrunde mit meines Erachtens wenig Zusatzarbeit auch ein noch gefahrvolleres Erlebnis präsentieren.
    Und ja, die Skorpiongöttin ist toll. In einer meiner Runden wollte ein Char sogar den Kult wieder aufleben lassen 😉
    Das mit den Karten ist meines Wissens eine reine Platzfrage, denn die Pläne sind hochauflösend und toll gestaltet.
    VG!
    Bernd

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