Die Entfaltung einer Geschichte vor dem inneren Auge des Lesers ist eine besondere Erfahrung. Eine Erfahrung, die üblicherweise sehr individuell ist und welche die meisten von uns vermutlich nicht gewohnt sind zu teilen. Als ich mit der Phileasson-Saga in ihrer Form als Romanreihe von Bernhard Hennen und Robert Corvus begann, wollte ich meinen persönlichen Blick auf diese Geschichte erweitern. Als Rollenspieler verband ich natürlich spezifische Erinnerungen mit dieser Kampagne. Darüber hinaus war absehbar, dass die Romane ein breiteres Publikum ansprechen würden, als dies bei den meisten DSA-Romanen üblicherweise der Fall ist. Darin sah ich eine weitere Möglichkeit andere Perspektiven auf die Erzählung zu sehen, als die sonst üblichen Diskussionen aventurischer Supernerds.
Nachdem ich einige Romane im Rahmen einer Leserunde, teilweise sogar mit Begleitung durch die Autoren, gelesen und diskutiert hatte, konnte ich für mich feststellen, dass diese Art von Austausch zu einem Roman durchaus eine Bereicherung darstellen kann. Leider werden diese Leserunden nicht mehr fortgesetzt, so dass ich die Romane wieder als stiller Leser im heimischen Kämmerlein konsumiere. Die gelegentlichen Rezensionen aus meiner Feder oder bisweilen auch anderer Schreiberlinge waren kein wirklicher Ersatz für eine Leserunde und ließen mich unbefriedigt zurück.
Die innere Reise
An diesem Punkt kam mir während dem Lesen des zehnten Bandes eine Idee wie sich die Erfahrung des Lesens noch anders verarbeiten und auch teilen lassen könnte. Anstelle ausführlicher Diskussionen oder einer komprimierten Gesamtrezension könnte ich das Erlebnis auch in Form eines Tagebuchs festhalten und teilen. Da ich diese Erfahrung unbedingt authentisch halten und meine Eindrücke direkt nach dem ersten Lesen festhalten wollte, war dies für Band zehn nicht mehr möglich. Nun liegt jedoch der elfte Band auf dem Tisch und ich bin bereit für ein neues Experiment. Noch kann ich nicht sagen, ob ich es tatsächlich bis zum Ende durchhalten werde. Aber so ist es auch mit den Reisen zweier uns wohlbekannter Ottajaskos. Am Anfang weiß man noch nicht was einen erwartet und wohin die Reise führen wird.
Der Blick von Außen
Starten wir also mit den Äußerlichkeiten. Dazu gehören in erster Linien Cover und Klappentext. Die großen Schriftzüge auf dem Cover lassen nur wenig Raum für eine Illustration. Das Cover zeigt uns eine nächtliche Szene an einem See. Boote liegen am Ufer und Laternen beleuchten Pfahlbauten. Im Hintergrund finden sich dunkle Wälder und weiße Berge. Über den Sternenhimmel fliegen weiße Vögel. Die Szenerie wirkt bis zu diesem Punkt ein wenig geheimnisvoll und verträumt, aber irgendwie auch nicht übermäßig interessant. Ein Element jedoch verändert die ganze Stimmung deutlich. Mit gleißender Corona saust ein gewaltiger Meteor durchs Bild. Der Eindruck entsteht, dass das Gebilde unweit unseres kleinen Sees auf der Erde einschlagen wird. Der Künstler Kerem Beyit setzt hier also weniger auf offensichtliche Action und Abenteuer als viele der vorherigen Bände. Wenn es um den geheimnisvollen, verschollenen, legendären Elfenkönig gehen soll, dann ist aber diese Stimmung zwischen Traum und Wirklichkeit vielleicht genau das, was wir erwarten dürfen.
Seit vielen Monden schon liefern sich die beiden Kapitäne Asleif Phileasson und Beorn der Blender eine erbitterte Wettfahrt um den Kontinent Aventurien. Nur wer das Rennen gewinnt und alle zwölf Aufgaben löst, darf sich mit dem Ehrentitel »König der Meere« schmücken. Zehn Abenteuer liegen bereits hinter den verfeindeten Helden und ihren Gefährten, doch was nun auf sie wartet, übersteigt all ihre Vorstellungskraft, denn manche Dinge sind größer als der glänzendste Ruhm, als der sagenumwobenste Recke. Mancher Frevel liegt länger zurück, manches Unrecht ist älter als die Sagas aus der Zeit, als die Hjaldinger ihren Fuß auf aventurischen Boden setzten. Wird es gelingen, den großen Weltenlauf ein Stück weit zu korrigieren, um verloren geglaubtes Licht zurückzuerlangen?
Der Klappentext geizt durchaus nicht mit Superlativen. Größer als jeder Recke und jenseits der Vorstellungskraft unserer Helden soll das neue Abenteuer sein. Ein Frevel älter als die Geschichte der Hjaldinger in Aventurien und eine Korrektur des Weltenlaufs sind keine Kleinigkeiten und scheinen an Epik angemessen für den vorletzten Band dieser beeindruckenden Saga. Abgesehen davon bleibt der Klappentexte sehr vage und gibt wenig vom Inhalt oder der neuen Aufgabe preis. Natürlich könnte ich in meinem Gedächtnis graben und Details zur elften Aufgabe aus meinen Erfahrungen mit der Rollenspielkampagne hervorkramen. Aber im Moment gefällt mir die Vorstellung möglichst unbedarft an die Sache heranzugehen.
Ich öffne also das Buch und beginne den Elfenkönig mit dem Prolog: Der dreiäugige Drache. Mehr dazu gibt es dann im nächsten Eintrag.
Referenzen
- Der Roman auf der Seite Phileasson-Saga der Autoren
- Engors Rezension
- Die Phileasson-Saga auf Nandurion
- weitere Beiträge auf Nandurion folgen
Pingback: Nandurion: Lesetagebuch zum Phileasson-Roman „Elfenkönig“ – Nuntiovolo.de