Bei „Sturmgeboren“ denkt man heutzutage ja eher an eine Drachenkönigin von einem fernen Kontinent. Es ist aber zugleich auch das bis vor Kurzem einzige Abenteuer, das von Rafael Knop bei Ulisses Spiele erschienen ist. Bis vor Kurzem, denn mit Zeichen der Macht ist jetzt ein weiteres Abenteuer des Autors herausgekommen.
(UPDATE: Es gibt tatsächlich noch ein paar andere Abenteuer von ihm, die ich übersehen hatte – am Rest der Rezension ändert das natürlich nichts)
Zeichen der Macht ist der erste Teil des Zweiteilers Donnerwacht und bringt die Helden in die Donnermark am Rand des Orklands, wo sie einem alten Geheimnis auf die Spur kommen. Was für ein Geheimnis? Das verrate ich gleich.
Das Einhorn warnt: Ende der spoilerfreien Zone!
Vor mehr als 5.000 Jahren gingen die Hochelfen ein Bündnis mit dem heute als Neunfinger bekannten Riesen gegen die Orks ein. Als kurz darauf Pardona die Elfenvölker verdarb, verwandelte sie auch die Bündnisführerin Caseya in eine Harypie.
Eben diese Harpyie entführt mit ihren Genossinnen ein paar Dorfbewohner, die die Helden am Anfang des Abenteuers befreien sollen. Dabei beobachten sie einen Überfall von Orks auf die Höhle, in der auch eine alte elfische Rune auf das damalige Bündnis hinweist. Die Helden verbünden sich mit der Harpyienkönigin, um mehr über diese Rune herauszufinden.
In der Akademie der Verformungen zu Lowangen erfahren sie von einem elfischen Magister von einer Ruine im Gashoker Forst, die die gleiche Rune aufweist. Bei ihrer Suche in Lowangen und auf der weiteren Reise werden die Helden aber gleich von zwei Widersachern gestört: Einem von den Orks bezahlten Händler und einer vom Händler bezahlten Schwarzmagierin.
Im Forst müssen sich die Helden erst mit den einheimischen Elfen gut stellen, um dann schließlich die Ruine in einem Endkampf zu verteidigen. Dabei werden die Harpyie, ein Elf der Sippe, der elfische Magister, die Schwarzmagierin und einer der Helden zu Bündnisträgern ausgewählt, die künftig den Riesen zum Bündnis rufen werden.
Die Geschichte ist schnell erzählt und das Abenteuer entsprechend gradlinig. Wann immer die Helden einen Auftrag erfüllt haben, steht schon ein NSC bereit, um ihnen das nächste Ziel zu nennen. Diese Ziele sind aber immer recht logisch begründet und daher dürften viele Gruppen auch ohne Ratschläge meist gleich in die richtige Richtung stapfen.
Der Einstieg gestaltet sich dabei so, wie man es leider von vielen DSA-Abenteuern kennt: Die meisten Proben, die man auf der Suche nach den entführten Dorfbewohnern würfelt, haben keine wirkliche Auswirkung auf den weiteren Verlauf des Abenteuers, etwas Auflockerung gibt es durch einen kleinen Kampf. Aber dann trifft man mit der zur Harpyie verwandelten Hochelfe auf einen der interessantesten NSCs der letzten Jahre. Sowohl durch ihre Darstellung, als auch durch die mit ihr verbundene Entscheidung, die sich durch das ganze Abenteuer zieht: Können wir uns wirklich mit einer irren Harpyie verbünden, deren klare Momente sich an einer Hand abzählen lassen?
Auch, wenn dieser Zwist nicht so stark im Mittelpunkt des Abenteuers steht, wie ich es mir wünschen würde, bietet es doch genug Raum, damit er sich einfach durch das Spiel der Gruppe entwickeln kann. Zu keinem Zeitpunkt müssen die Helden sich fest auf die Seite der Harpyienkönigin stellen.
Der nächste Abschnitt verläuft genau andersherum: Die Recherche in der Stadt bietet den Helden viele Freiheiten, welche Orte sie besuchen wollen, die NSCs ― insbesondere die Gegenspieler ― sind eher schwach. Mit „Geld“ und „Macht“ sind ihre Motive generisch bis unklar.
Richtig an Fahrt gewinnt das Abenteuer im nächsten Abschnitt. Auf der Reise von Lowangen zum Gashoker Forst werfen ihre Widersacher den Helden alles in den Weg, was sie können, um sie zu behindern. Und tatsächlich wirkt sich diese Verzögerung auch aus: Je nachdem, wann die Helden ankommen, wird der Kampf im Finale schwerer oder leichter.
Das Finale selbst ist eine klassische Kampfszene. Der Autor hat sie jedoch (wie alle anderen Kämpfe im Abenteuer) mit Ideen angereichert, um sie dynamischer zu gestalten. Meinem Eindruck nach gelingt das auch. Je nach Geschmack kurz vor oder in den Kampf kann auch noch ein kleines Bilderrätsel gelegt werden. Die Spieler müssen vermutlich etwas daran knabbern, aber es ist durchaus lösbar.
Ein paar Kleinigikeiten sind mir noch aufgefallen, die vielleicht für die Wertung nicht wichtig sind, aber für das Leiten des Abenteuers:
- Die Harpyien können den Helden oft zur Seite springen. Gerade an der Stelle, an der es um eine schnelle Reise geht, sind sie aber merkwürdigerweise nicht verfügbar, um die Helden zu ihrem Zielort zu fliegen. Wenn die Spieler auf diese Idee kommen, könnte man sie gelingen lassen, und gleichzeitig den Spielern das Gefühl vermitteln, dass die Harpyien sie jederzeit aus einer Laune heraus in den Tod stürzen lassen könnten.
- Im Abenteuer tauchen immer wieder Stellen auf, an denen die Helden optional zu Handlungen gezwungen werden können, wenn sie Proben auf Willenskraft nicht schaffen. Je nach Spielergruppe sollte man hier sehr vorsichtig sein, da viele Spieler so etwas nicht mögen.
- Die Schwarzmagierin gibt sich den Helden gegenüber als Helferin aus. Bei ihrem hohen Überreden-Wert müsste sie sich auch eigentlich eine glaubhafte Begründung überlegen, warum sie dies vorgeblich tut. Diese fehlt im Abenteuer und sollte vom Spielleiter vorher festgelegt werden.
- Zwischendurch spricht das Abenteuer davon, die Schwarzmagierin wolle den Ork-Anführer magisch kontrollieren. Das ist mit Zaubern in DSA5 aber derzeit faktisch nicht effektiv möglich. Diesen Hinweis sollte man also einfach ignorieren.
Das Einhorn verkündet: Ende des Spoiler-Bereichs
Wie fügt sich dieses Klein-Klein nun zu einem Gesamtbild zusammen? Insgesamt hinterlässt das Abenteuer bei mir ein sehr positives Bild, aber mit leicht fadem Beigeschmack. Handwerklich gehört das Abenteuer zu den besten, die ich bisher gelesen habe. Damit meine ich nicht unbedingt Rechtschreibung oder Illustration (auch wenn diese, wie in letzter Zeit immer, auf einem hohen Stand sind), sondern Plotdesign und Darreichung. Die Geschichte gibt den Spielern an mehreren Stellen Handlungsspielraum, und gleichzeitig erhält der Meister Mittel, wie das Abenteuer weitergehen kann, je nachdem, für welchen Weg sich die Spieler entscheiden. Insbesondere führen nicht alle Entscheidungen auf den exakt gleichen Pfad, sondern Entscheidungen, die die Gruppe in der Mitte des Abenteuers trifft, können sich auch auf die Details des Endes auswirken. Am Ende ist es natürlich wie fast alle DSA-Abenteuer sehr linear gehalten, aber ab und zu kann man die Eisenbahn dann eben doch auf eine andere Schiene lenken.
Woher jetzt der fade Beigeschmack? Ganz genau kann ich es nicht sagen, nur so viel: Es hat mit der Story zu tun. Mich holt die Geschichte einfach nicht ab, zu viele Elemente erinnern mich an den Herrn der Ringe oder wirken sonst nach null-acht-fuffzehn Abenteuerkost. Aber das ist sicher eine sehr subjektive Einschätzung.
Das Layout-Einhorn sitzt glücklich wie festgewachsen schon in der Reihe. Ein Einhorn springt fröhlich um das Abenteuer herum, weil es sich nicht für einen der vielen Einstiege entscheiden kann. Ein weiteres Einhorn freut sich, erst spät zu einer Entscheidung über ein potenzielles Bündnis gezwungen gewesen zu sein. Ein anderes Einhorn freut sich über das kleine Bilderrätsel. Das nächste Einhorn blickt verträumt in den Himmel und malt sich aus, wie die Kampagne wohl weitergehen könnte. Zwei Einhörner unterhalten sich angeregt darüber, wie sie sich im Mittelteil hätten entscheiden können, um am Ende besser darzustehen.
Das nächste Einhorn ist davon aber nicht ganz so überzeugt und würde sich noch mehr Entscheidungsfreiheit und Einfluss durch die Spielerentscheidungen wünschen. Und das letzte sitzt wehmütig in einer Ecke und zitiert Stellen aus dem Herrn der Ringe.
Kurze Anmerkung: Der Autor Rafel Knop hat schon bei einigen Abenteuern mehr mitgewirkt bzw. sie geschrieben. Der Wiki-Aventurica-Eintrag (eure Quelle?) war aber nicht aktuell: Die Quelle des Nagrach (DSA 5 Beta und Überarbeitung) ist ebenfalls von ihm und bei den letzten beiden Teilen der Splitterdämmerung hat er auch bereits mitgearbeitet.
Danke für den Hinweis! Die hatte ich tatsächlich übersehen 🙂
Meine Anmerkung zur Motivation der Schwarzmagierin: Die kommt von der einzig wahren Magierakademie Lowangens. Deren Spezialgebiet ist gerade die Beherrschungsmagie. Den Ork-Anführer zu kontrollieren ist daher in meinen Augen das auf der Hand liegende Motiv für einen Abgänger von dort. Sagt auch meine Lowangener Schwarzmagierin (nein, das ist jetzt gelogen; sie würde ihn eher zu Tairach schicken… aber wären das irgendwelche Menschen-Barbaren, dann würde das auch für sie schon passen).
Die nötigen Zauber sind auch schon in DSA 5 vorhanden und über die Regel-Wiki zugänglich (aber in meinen Augen für dieses AB eigentlich nicht erforderlich).
Bei der Motivation ist meine Kritik vor allem an der Scheinmotivation, den Helden zu helfen, nicht an der tatsächlichen Motivation.
Die Zauber, die sie beherrscht, sind dafür zumindest nicht geeignet: Der Imperavi und der Bannbaladin wirken jeweils QS x 3 Minuten lang, danach ist dem Opfer in beiden Fällen klar, dass es verzaubert wurde. Der einzige Zauber, den sie beherrscht, der nicht dieses Problem hat, ist der Memorabia Falsifir mit Zaubererweiterung „Andere Erinnerung“ – der braucht aber 2 Stunden lang Berührung des Ziels, was für den Orkhäuptling schwierig sein dürfte. Und selbst, wenn das gelingt, müsste sie den gleichen Zauber auch noch auf einen Großteil der anderen Orks sprechen, da diese sonst den Orkhäuptling darüber aufklären könnten, welche falschen Erinnerungen ihm eingeflüstert wurden.
Ich danke für die Rezession und werde mir das Abenteuer holen.
Auf dem Kaiser Raul Konvent 2017 hat Rafael schon einen Vorgeschmack geliefert.
Wir haben da die „Person“ in der Mitte des Covers aus versehen Fliegen lassen *Ups*.
Rafael ist übrigens ein sehr guter Meister, der sehr schön Spannungsbögen spannt.
Das hoffe ich in dem Abenteuer wieder zu finden.
Grüße
Dirk
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