Der Ruf des Berges

Lange schien der Ruf nach den großen Kampagnen im Karmakorthäon der fünften Edition ungehört zu verhallen. Die postborbaradianischen Ereignislinien wurden zu Ende geführt und die neuen Kampagnen blieben etwas verträumt. Immerhin durfte Al’Anfa dann doch einmal einen Sieg davontragen und so wurde im Erzählraum der südlichen Imperien der Metaplot etwas bewegt, bevor der Wanderzirkus wieder weiterzog. Die Ereignislinie, die inzwischen Brandans Pakt genannt wird, räumt mit diesem Gesumse jedoch auf. Das Heldenzeitalter der Zwerge war bislang nur ein Schlagwort im Hintergrund, blieb jedoch genauso abenteueruntauglich, wie die Briefspielartikel im aventurischen Boten. Damit macht Der Ruf des Berges nun endgültig Schluss. Die Angroschim bekommen ihre eigene Kampagne im epischen Kontext des Heldenzeitalters, welches die Kosmologen Karmakorthäon nennen. Und wie uns das Cover dieses Prologs schon verrät, kann es für die Zwerge Aventuriens nur eine wahrhaft heldenhafte Herausforderung geben. Der Kampf mit dem Drachen!

Einordnung

Der Klappentext zum Abenteuer spricht von Verrat, Intrigen und politischen Machtkämpfen. Nicht direkt das, was man von einem Heldenepos in einer Fantasy-Welt erwarten würde? Die Anforderungen warten dann allerdings mit Kampf (4), Gesellschaft (3) , Natur (2) und Metaplot (4) auf. Helden sollten auf den Stufen meisterlich bis brilliant sein. Erst im Verlauf weiterer Publikationen wird deutlich, dass der Ruf als Einstieg zu einer Kampagne um Brandans Pakt verstanden werden muss. Eine Schlüsselrolle kommt dabei auch dem Auf-ins-Abenteuer! Basaltschmelze zu. Dieses kurze Szenario kommt mit einer Reihe vorgefertigter (vorwiegend zwergischer) Helden daher und schickt sie ins Zentrum eines dramatischen Ereignisses. In meiner Rezension zu dieser Publikation hatte ich bereits deutlich gemacht, dass ich eigentlich nur noch nach der rechten Gelegenheit suchte, um mich in dieses Szenario zu stürzen. Tatsächlich ist es durchaus vorgesehen, die Helden aus dem Auf-ins-Abenteuer auch in die Kampagne zu schicken. Ein Prüfstein wird daher auch sein, ob die Figuren mit dieser Geschichte zurechtkommen sollten.

Brandans Pakt

Jener legendäre Angroschim, den die Überlieferungen der Zwerge als Brandan bezeichnen, war nicht nur der Stifter des Geodentums und Verhandlungsführer der Zwerge mit dem Goldenen Drachen Pyrdacor. Seine bekannteste Tat ist auch heutigen Zwergen ein Begriff. Brandans Pakt mit dem Elementarherren des Erzes vor mehr als 5.000 Jahren sorgte für den Schutz der zwergischen Bingen vor Pyrdacors Erzgolemiden und bewahrte die Angroschim so vor dem sicheren Untergang. Erst so gelang es, der Macht des Goldenen zu widerstehen und schließlich einen Frieden mit dem Gottdrachen der Echsen auszuhandeln.

Bevor ich in die Geschichte eintauche werfe ich also noch einen Blick auf die Helden aus der Basaltschmelze. Es handelt sich um

  • Topaxandria, eine Kriegerin der Schule des Drachenkampfes
  • Peridox, einen brillantzwergischen Kavalier
  • Marnax, einen hügelzwergischen Geoden
  • Okbrôsch, einen ambosszwergischen Angrosch-Geweihten
  • Adaque, eine garetische Junkerin und
  • Lysandriel, eine auelfische Legendensängerin.

Alle Helden sollen wehrhaft genug sein, um sich in einer Auseinandersetzung zu behaupten. Dies wird zweifelsohne auch nötig sein. Auffällig ist jedoch, dass die Helden mit ihren 1.300 AP mal geschmeidige 200 AP unter den Anforderungen für Helden im Ruf des Berges liegen. Das entspricht locker zehn gewöhnlichen Abenteuern als Differenz. Aktuell bin ich noch unsicher, wie ich mit diesem Problem am besten umgehe. In jedem Fall werde ich noch das eine oder andere Abenteuer vorweg spielen und dann mal sehen wo wir landen.

Einstieg – Der Beginn

Da DSA-Abenteuer ja kein brauchbares Inhaltsverzeichnis mehr haben, ist es etwas mühsam sich einen Überblick über ein Werk zu verschaffen. Der Band selbst begrüßt uns mit einem Glossar der Zwergensprache und einem ausführlichen Rückblick zur zwergischen Geschichte. Erst dann geht es um die jüngeren Ereignisse um den Antagonisten der Kampagne und den Überblick zum Abenteuer. Erst auf Seite 15 lesen wir

Das Abenteuer beginnt auf einem Flusssegler …

Nachdem ich ja gedanklich gerade eine Reihe von Zwergen für das Abenteuer rekrutiert habe, stolpere ich hier zum ersten Mal. Zwar sind mir die Hintergründe von Albrax Reise einschließlich der Wahl des Transportmittels sehr wohl bewusst. So sonderlich glücklich bin ich mit dem Einstieg jedoch nicht, da möglicherweise doch wieder jemand am Spieltisch „den Zwerg raushängen“ lassen wird. Vermutlich werde ich hier noch etwas Hirnschmalz investieren müssen, um meine Truppe auf das Schiff zu bringen.

Der Kampf auf einem Schiff bietet durchaus einen interessanten Schauplatz. Gerade für Zwerge, die dort eher nicht zu Hause sind, dürfte das interessante Szenen ermöglichen. Wie so oft geht unser DSA-Produkt jedoch davon aus, dass es sich bei einem Kampf eh nur um eine Nebensache handelt, die keiner weiteren Erläuterungen bedarf. Dafür weiß ich jetzt, dass Flusspiraten Menschenkenntnis 4 haben. Na dann Baroschem!

Eine Stadt wie ein Sandkasten

Nach diesem eher klassischen Einstieg erreichen wir nun die Stadt Calbrozim, die der Schauplatz des ersten Teils des Abenteuers ist. Dieser Teil ist als Sandbox angelegt und bewirft uns erst einmal mit umfangreichen Orts- und Personenbeschreibungen. Das Ganze ist durchaus gut gemacht, wirkt sehr professionell. Besonders hervorheben möchte ich den Zeitplan samt Verweisen, der beim Leiten definitiv hilfreich sein wird. Ich und meine Spieler werden wohl noch ein Personenverzeichnis, vermutlich inklusive optischer Repräsentation für den Spieltisch benötigen. Ob es ein Problem darstellt, dass nur die wichtigsten Personen der Handlung ein Bild haben oder ich in der Folge auf KI generierte Hilfe zurückgreife werde ich noch sehen.

Gesandte vom Berg Djer Calaman: Ferrascha und ihr Sohn Ferrolax

Wieder einmal fällt mir auf, wie umfangreich die Wertekästen, Personenbeschreibungen und zusätzlich abgedruckten Sonderregeln sind. Eine Viertelseite wird allein für das Provozieren benötigt, dass scheinbar nicht im Grundregelwerk abgedruckt ist. Im Zeitalter einer online-Regelwiki noch darauf zu bestehen, dass selbst solche basalen Anwendungen von Talenten mit dem ganzen sperrigen Regeltext abgedruckt werden, halte ich für überdenkenswert. Dass die Personenbeschreibungen teilweise ebenfalls wenig fokussiert sind und man extra im Vorwort erwähnen muss, dass bei Meisterpersonen nicht immer alle (!) Werte abgedruckt sind, ist wohl ein DSA-Problem, dem wir so bald nicht entkommen werden.

Wie gut die Sandbox dann tatsächlich funktioniert, ist etwas, dass man dann tatsächlich erst sieht, wenn man ein Abenteuer spielt. Insgesamt wirkt der Abschnitt aber sehr aufgeräumt und gut strukturiert. In Calbrozim müssen die Helden scheinbar einen Kriminalfall lösen, der jedoch tatsächlich mit der eskalierenden Gesamtsituation zusammenhängt. So müssen die Helden also unter Zeitdruck recherchieren und den Fall lösen bevor die Lage komplett außer Kontrolle gerät. Schön finde ich hier die Situation, dass die Gruppe im Auftrag des Hochkönigs agiert, während dieser seiner diplomatischen Mission nachgeht. Sobald es dann ins Finale geht, können die Helden auf die direkte Unterstützung des Hochkönigs setzen. Auf diese Weise wirkt Albrax als Meisterperson ausnahmsweise mal nicht völlig inkompetent ohne dabei die Glaubwürdigkeit des Abenteuerplots zu beschädigen.

Hinaus in die Wildnis

Die Beweise gegen die Verschwörer in Calbrozim weisen den Weg zu einem geheimnisvollen Unterstützer außerhalb der Stadt. So heißt es also im nächsten Schritt eine Expedition auszurüsten und in die Wildnis vorzudringen. Der zweite Teil des Abenteuers ist ein waschechtes Wildnisabenteuer. Der Aufbau ist dabei insgesamt sehr ähnlich zu dem, von mir ebenfalls für die Kampagne ausgewählten, Abenteuer Sagenhaftes Lolgrolmosch aus der Anthologie Kar Domadrosch. Während der Wildnis- und Reiseteil dort aber zu einer reinen Anmerkung zusammengekürzt wurde, haben wir es hier praktisch mit einem kompletten Abenteuer zu tun.

Prinzipiell können die Helden in diesem Teil auch wieder frei durch die Wildnis wandern. Da aber kein gutes Abenteuer ohne äußeren Druck auskommt, finden wir hier eine Mechanik, welche das Vorankommen im Vergleich zu den Kontrahenten misst. Mit den sogenannten Fortschrittsmarken wird die Geschwindigkeit der Gruppe nachgehalten und das kleine Finale wird je nach Fortschritt erschwert oder erleichtert.

Intermezzo mit einem Drachen

Nach dem Finale gegen Abatrox Söhne und ihre Helfer scheint der zweite Akt seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Etwas unerwartet kommt dann die (optionale) Begegnung mit dem Kaiserdrachen Morchur. Ich bin mir etwas unsicher, ob dieses Element unbedingt hätte sein müssen, aber die Idee, in einer Zwergenkampagne ausgerechnet einen Drachen als Verbündeten zu gewinnen, ist natürlich nicht ohne Witz. Selbstverständlich können die Helden auch das Töten des Drachen in Angriff nehmen. Ein paar umherwandernde Drachenjäger hat man ja schon getroffen. Dennoch ist ein ausgewachsener Kaiserdrache auch für Helden dieser Erfahrungsstufen kein zweites Frühstück.

Neben der Verhandlung und dem Kampf gegen den Drachen ist natürlich auch der Diebstahl eine Option. Dann hoffen wir mal, dass der Hügelzwerg seinen Ring der Unsichtbarkeit dabei hat.

Die Minen von Romdrolosch

Denn dies, mein Freund, ist die Heimstätte meines Vetters Balin und sie nennen es eine Mine, eine Miiine!
Das ist keine Mine, das ist ein Grab!

Gefahren in der Tiefe
von Nathaniel Park

Der dritte Akt dieses überaus klassischen Plots führt uns schließlich in den Dungeon, um dort den finsteren Schwarzmagier zu erschlagen. Vermeintlich.
Natürlich verbirgt sich der Feind in einer zwergischen Binge. Romdrolosch fiel in den Drachenkriegen und geriet danach in Vergessenheit. Ähnlich wie in jener berühmten Mine aus dem obigen Zitat finden wir auch hier einen Wächter am Eingang und einen Feind, gegen den die Helden nichts ausrichten können, in der Tiefe. Der besondere Charakter dieses Dungeons ist die historische Verortung in die Zeit der Drachenkriege. Tatsächlich war Romdrolosch explizit zur Verteidigung gegen Drachen ausgelegt. Die Erkundung des Dungeons lässt die Helden auch eintauchen in die letzten Tage vor dem Fall.

Neben geschuppten, behaarten und untoten Gegnern wartet das letzte Kapitel auch mit elementaren Erschütterungen und drachischen Träumen als stimmungsvollen Bedrohungen auf. Doch was anderswo als kapitaler Endgegner präsentiert würde, kann in dieser epischen Kampagne nur die Vorgruppe zum eigentlichen Headliner sein. In den Tiefen des Berges kommt es dann zum Finale und nicht nur die Helden werden hier eine kapitale Überraschung erleben.

Das Finale lässt es dann noch mal ordentlich rumsen. Die Gruppe wird alle Artefakte, Waffen und sonstige Ausrüstung, die sie auf dem Weg dorthin einsammeln konnten, gut gebrauchen können. Das Ende ist schon etwas Indiana Jones, gemischt mit den Vorboten der Apokalypse. Wer dann wieder ans Tageslicht zurückkehrt, hat sich seine Abenteuerpunkte redlich verdient und weiß auch, warum Der Ruf des Berges nur der Prolog zur folgenden Kampagne ist.

Fazit

Der Prolog zur Kampagene um Brandans Pakt hat die Aufgabe ein Problem auf die Welt loszulassen, das des zwergischen Heldenzeitalters würdig ist. Der klassische Dreiakter lässt dabei in Sachen Epik und zwergischem Flair keine Wünsche offen. Nach einem Stadt- und Kriminalteil beginnt die Suche in der Wildnis und das Finale findet dann natürlich in einer zwergischen Binge statt. Eine Gruppe mit mehreren zwergischen Helden sollte hier kein Problem sein. Man muss allerdings festhalten, dass die Anforderungen an die Helden wirklich hoch sind. Es wird weder mit Drachen noch mit Zwergen gegeizt und das Finale schließt die Geschichte nicht ab, sondern öffnet den Beginn einer ganzen Kampagne. Wer jetzt noch Elfen spielen will, dem ist wahrlich nicht mehr zu helfen.

Referenzen

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2 Antworten zu Der Ruf des Berges

  1. Nottel sagt:

    Uns hat das Abenteuer sehr gut gefallen. Vielleicht liegt es auch daran, dass zumindest ich kein besonders typischer Zwergenspieler bin, es ist das erste Mal für mich als erzzwergischer Angroschgeweihter. Die Gruppe hat darüberhinaus eine optimale Besetzung mit einer ambosszwergischen Kriegerin, einem brillantzwergischen Sappeur und einer Premer Kriegerin. In den weiterführenden Abenteuern werden nicht nur Stereotype der Zwergenheit bedient, was ich sehr begrüsse, anderen aber nicht unbedingt so schmecken muss.

  2. Pingback: Nandurion rezensiert „Der Ruf des Berges“ – Nuntiovolo.de

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