Mehrbändige Reihen erfreuen sich ja in der Phantastik seit langer Zeit großer Beliebtheit. Da nimmt es wohl kaum Wunder, dass der Ulisses-Spiele Verlag auch das (aus meiner Sicht) Hauptprodukt zum 40-jährigen Bestehen des Rollenspiels Das Schwarze Auge in eine mehrbändige Reihe aufteilt. Angesichts der intensiven graphischen Präsentation der bibliographischen Elemente wäre es aber wohl auch für Menschen in meinem fortgeschrittenem Alter kaum mehr zumutbar derart schwere Papierbündel zu heben, wie es eine Bibliographie in einem Band sein müsste. So erscheint also mit dem dritten Band die Übersicht über die Jahre 2004 bis 2013. Diese Zeit gehört ganz und gar der vierten Edition und so dürfte es auch wenig überraschen, dass der Umfang dieses Werkes nach 160 Seiten für die erste Dekade und 208 Seiten für den zweiten Teil, nun mit 336 Seiten und fast 25 mm Dicke für das Jahrzehnt der vierten Edition daher kommt. Unbestreitbar wurde in den Zeiten der vierten Edition der Output an Produkten merklich erhöht.
Inhalte
Nach den Vorworten von Felix Pietsch und Thomas Michalski lesen wir noch ein letztes Mal die Worte Mark Wachholz über die Geschichte des Schwarzen Auges, bevor dann Thorsten Most übernimmt und uns durch die kommenden Jahre geleitet. Die Jahre der vierten Edition sind auch die Jahre der großen Kampagnen. Nicht nur die Borbarad-Kampage wird in überarbeiteter Form neu aufgelegt. Neben der Dämonenkrone weisen uns weitere Ikonen auf die Produkte anderer Kampagnen hin. Jahr des Feuers, Drachenchronik und Splitterdämmerung erscheinen hier und hinterlassen ihre Fußabdrücke in der Geschichte Aventuriens.
- Impressum
- DSA4 und DSA4.1 (Fokusartikel zu diversen Kampagnen)
- Sonderreihen (u. a. die Reihen zu den weiteren Kontinenten)
- Der Aventurische Bote
- Fern der Seiten (Webseiten, Computerspiele und Hörspiele)
- Geschichten aller Art (Romane)
- Gesellschaftsspiele aller Art
- Zubehör und Merchandise
Dritter Streich 2004 bis 2013
Zu Beginn erwartet uns wieder ein Abriss der Geschichte, der jedoch im Wesentlichen die Produkte zu den Jahren aufzählt. Mit dem Jahr 2004 geht der Text von Mark Wachholz zu Ende und Thorsten Most übernimmt. Der Umbruch des Schwarzen Auges wird vorangetrieben. Wir erleben die Umstellung von Boxen aus dem Spiele-Handel auf Bücher, um im Buchhandel Fuß zu fassen. Auch in Aventurien beginnt mit dem Umbau des Mittelreichs, im sogenannten Jahr des Feuers, die postborbaradianische Ära. 2007 übernimmt Ulisses die DSA-Lizenz, 2008 erscheint mit Drakensang endlich ein neues Computerspiel und 2009 übernimmt der Uhrwerk Verlag die Weitergestaltung von Myranor.
Ab dem Jahr 2010 wird dann auch die Redaktion massiv umgebaut. Es beginnt mit jenem Ereignis, welches das Internet als die Wachholz-Affäre kennt. Der engagierte Redakteur und Mitbetreiber der Webseite Alveran.org fliegt aus der Redaktion. Mit ihm gehen nicht nur seine Ideen für eine Weiterentwicklung der Spielwelt sondern auch weitere enttäuschte Redakteure. Der Tod des DSA-Miterfinders Hans-Joachim Alpers im Folgejahr ist angesichts des intensiven personellen Umbaus in der Redaktion beinahe nur noch eine Fußnote. Auch DSA-Urgesteine wie Thomas Römer ziehen sich zurück und brechen auf zu neuen Gestaden. Die neuen Wege werden fortgeführt, aber nicht alle sind erfolgreich. Die Reise nach Uthuria muss heute ebenso als gescheitert gelten, wie eine Wiederbelebung Tharuns. Auch das 2012 gestartete Miniaturenspiel Schicksalspfade, wird 2014 schon wieder eingestellt.
Kampagnen und Meisterpersonen
Kennzeichnend für die vierte Edition waren wohl die verschiedenen Kampagnen, welche die Entwicklung der lebendigen Geschichte vorantreiben sollten. Bevor wir uns den Abenteuern widmen, lässt uns jedoch Anton Weste an den Hintergründen der Gareth Box teilhaben. Dieses Projekt hatte eine Box (ja in diesem Fall gab es wieder mal eine Box) als Ergebnis, die eine unfassbare Fülle an Material zum Spiel in der Hauptstadt des Mittelreichs hatte. Auch wenn ich mir persönlich so etwas immer für Al’Anfa gewünscht habe, lässt sich kaum bestreiten, das die Gareth Box ein Produkt mit enormem Spielwert ist und wurde auch auf Nandurion uneingeschränkt empfohlen. Bemerkenswert find ich hier die Prämissen Antons für die Entwicklung:
- Trenne nicht zwischen Spielerteil und Meisterinformationen
- Wenn sich etwas übersichtlich in Listen und Tabellen darstellen lässt, tu es.
- Nenne und nutze Regelanwendungen und Werte
Vielleicht sind dies Prämissen, an denen sich auch aktuelle Produkte so oft als möglich messen sollten. Auch bei diesem Produkt war natürlich die Karte von Hannah Möllmann ein besonderes Schmankerl und hat mit den technischen Restriktionen und dem Drama einer kaputten Festplatte ihre eigene Geschichte zu erzählen.
Mit der bibliographischen Aufzählungen von Abenteuern finden wir dann auch Ausführungen zu den großen Kampagnen jener Zeit. Den Anfang macht hier Das Jahr des Feuers, dessen erster Band auch aus der Feder Anton Westes stammt. Bernd Ochs berichtet uns über sein Jahr des Feuers und entschuldigt sich mit den Worten, „ich war jung und brauchte die AsP“. Wir sehen auch Bilder von G. C. E. Galotta im Lauf der Zeit und holen einmal Luft wenn uns Johannes Kaub über die Tradition der Märchenanthologien informiert, bevor wir dann auch Answin von Rabenmund und den schwarzen Drachen Razzazor in Bildern sehen dürfen. Auch dem unersättlichen Xeraan wird später noch eine Seite gewidmet.
Die nächste große Kampagne hat dann nichts mehr mit Borbarad und seinen Erben zu tun. Die Königsmacher-Kampage ist Thema in Christian Nehlings Text, in dem er über seine persönlichen Erfahrungen zum Thronfolgekrieg berichtet. Mháire Stritter lässt uns wissen, warum sie die Simyala-Kampagne auch heute noch für spielenswert hält. Interessant finde ich auch Anni Dürrs Text zur Drachenchronik, in dem sie die Vorteile dieser vielgeschmähten Kampagne hervorhebt. Denn wenn große Teile der Kampagne jenseits von Aventurien spielen, dann bedeutet das auch maximale Freiheit von den Fesseln des Metaplots. An Persönlichkeiten gewährt man uns noch einen Blick auf Selindian Hal und dessen quasi öffentliches Leben sowie die Dämonenkrone und ihre Splitter, welche dann für eine weitere Kampagne, die Splitterdämmerung als Aufhänger herhalten müssen.
Fremde Welten
In der dritten Dekade betreten wir auch weitere Kontinente in der Welt des Schwarzen Auges und versuchen der Marke ein breiteres Spektrum zu verleihen, als Aventurien dies vermag. Wir tauchen ein in die Dunklen Zeiten mit einer weiteren Box. Eine umfangreiche Reihe zu Myranor wird initiiert, auch wenn die Anfänge sich schwierig gestalten. Man startet die Entdeckung des legendären Südkontinents Uthuria und scheitert hier kläglich. Auch der Rückkehr nach Tharun ist eher ein Dasein als Irrläufer beschieden, zumal die Geschlechterungerechtigkeit in der Hohlwelt heutigen Spielern scheinbar keinen Anreiz für Heldentaten mehr bietet. Das Riesland wird schlussendlich von Fans in einem eigene Projekt erkundet und findet dann auch noch seinen Weg in eine Veröffentlichung durch Ulisses. Dank Patrick Götz und dem Uhrwerk Verlag erscheinen zu Myranor immerhin über einen längeren Zeitraum Publikationen und das Güldenland kann so sinnvoll bespielt werden.
Nachdem in der letzten Dekade das Internet Verbreitung gefunden hat und dieser neumodische Kram einfach nicht verschwunden ist, findet auch die Präsenz des Schwarzen Auges in den Weiten des Datenlimbus ihre Würdigung. Diverse Fanseiten und natürlich die großartige Wiki-Aventurica finden hier Erwähnung. Auch die Webseite Nandurion.de ist dabei und gehört ebenso wie EngorsDereblick.de zu den wenigen Seiten, die immer noch aktiv sind.
Gewissermaßen als Gegenentwurf zu den digitalen Produkten finden auch die Miniaturen des Schwarzen Auges ihren Weg in die Geschäfte. Nachdem 2008 das letzte Produkt für Armalion erscheint, versucht man es 2012 noch einmal mit Schicksalspfade, einem Miniaturenspiel für kleinere Gefechte.
Erinnerungen
In meinen persönlichen Erinnerungen ist die Zeit von DSA4 eine, in der mein Leben reichlich Bewegung außerhalb phantastischer Welten hatte. Berufsleben, Familie und Umzüge schränkten meine Möglichkeiten zum aktiven Rollenspiel deutlich ein. Dennoch blieb ich dem Schwarzen Auge intensiv verbunden und war in dieser Zeit auch über meine Tätigkeiten bei Alveran.org, der Überarbeitung der Kampagne Das Jahr des Greifen und schließlich dem Engagement bei Nandurion.de fortlaufend mit dem Rollenspiel befasst.
Gerade letzteres sorgt auch dafür, dass ich in der Bibliographie zahlreiche Zitate dieser Webseite lese und auch meine eigenen Worte zu manchem Produkt für die Nachwelt konserviert finde. Die Kampagnen, welche die lebendige Geschichte tragen und auch die starke Riege der Meisterpersonen dieser Zeit, empfinde ich immer noch als eine Besonderheit. Mit der vierten Edition verbinde ich auch die vielen Hardcover, welche mein Buchregal schmücken und selbst die Softcover bieten einen anständigen Buchrücken. Das ist etwas, was ich mit der Rückkehr zu den Heftbindungen in der fünften Edition wieder deutlich vermisse. Trotz vermehrten Outputs erscheint mir die Zeit der vierten Edition doch weitaus überschaubarer und aus der Perspektive meines Sammlertums der damaligen Zeit auch beherrschbarer als der aberwitzige Output, der später noch folgen sollte.

Erst lange nach dem Ende des Spiels erworben: Rowena für Schicksalspfade
Etwas irritiert blicke ich heute auf einige Produkte jener Zeit, die trotz grundlegenden Interesses an mir vorüber gegangen sind und welche ich mir teilweise erst später beschaffte. Dies betrifft sowohl die Miniaturen für Schicksalspfade, das schon wieder verschwunden war, bevor ich überhaupt richtig an Bord war, als auch die Computerspiele. Zwar erinnere ich mich noch gut daran, wie meine Deluxe-Version von Drakensang auf dem Postweg gestohlen wurde, aber ohnehin musste ich dann später feststellen, das meine veraltete Hardware und mein läppisches Zeitbudget nicht für solcherlei Spiele geeignet waren. Erst in der nächsten Dekade sollte ich dann nach einigen Jahren Abstinenz wieder zum aktiven Spiel in Aventurien zurückkehren.
Fazit
Der dritte Teil der Bibliographie zeigt eindrucksvoll, wie der Output an DSA-Produkten zugenommen hat. Zugleich zeigt er auch die verschiedenen Versuche jenseits der Kernprodukte neue Möglichkeiten zu erschließen, von denen viele scheiterten, manche jedoch, wie im Fall der Drakensang-Reihe, auch bemerkenswerten Erfolg hatten. Die zahlreichen Kampagnen der vierten Edition sind sicher eine gute Gelegenheit auch für jüngere Spieler durch die Bibliographie zu schmökern und in Erfahrung zu bringen, wer Borbarads Erben waren und was eigentlich aus The next big Thing wurde.
Die letzte Dekade der Bibliographie wird uns dann in die fünfte Edition führen und auch einige andere Merkwürdigkeiten aufbringen, mit denen ich wohl noch mehr fremdeln werde, als mit mancher Seltsamkeit dieses Jahrzehnts. Welche Orientierung dann zwischen Kartenspielen, Katzenhelden und Retro-Produkten für mein persönliches DSA bleibt, wird sich zeigen, wenn es dann in die Jahre 2014 bis 2023 geht. Sicher ist dabei nur, dass die Vielfalt der Produkte ganz gewiss nicht abnehmen wird.